Praxis & Medizin

Stellungnahme DGGG | Praxis

Kritik an Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL)

in der Frauenheilkunde

Sind individuelle Gesundheitsleistungen sinnvoll?

 

"Die benannte Selbstzahlerleistung ist eine umfassende Ultraschalluntersuchung des „kleinen Beckens“. Diese schließt die Gebärmutter, Eileiter, Eierstöcke, Harnblase und die Zwischenräume zwischen Harnblase, Vagina und Darm bis zum Beckenboden ein. Dieser transvaginale Ultraschall, bei dem die Situation im gesamten kleinen Becken untersucht wird, wird wie auch der Ultraschall der Brust von den gesetzlichen Krankenkassen nur dann bezahlt, wenn ein konkreter Krankheitsverdacht besteht – also etwa Symptome oder insbesondere ein auffälliger Tastbefund vorhanden sind. Frauenärztinnen und -ärzte können diese Leistung ohne konkreten Krankheitsverdacht nur als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) zur Verfügung stellen.

Vorteilhaft ist dieser Ultraschall z.B. als Komplementierung der regulären gynäkologischen Untersuchung – und dann auch über die Tastuntersuchung hinaus – insbesondere bei Frauen, bei denen eine Tastuntersuchung aufgrund körperlicher Disposition schwierig ist. Also bei übergewichtigen Mädchen und Frauen sowie bei solchen, bei denen durch die Anspannung der Bauchdecke kein eindeutiger Tastbefund möglich ist.

Richtig ist, dass die aktuelle Datenlage keine Reduktion der Sterblichkeit durch ein allgemeines Screening auf Eierstockkrebs durch den Ultraschall nachweisen konnte und daher eine solche Regeluntersuchung mittels Ultraschalls oder Tumormarkern von nationalen wie internationalen Fachgesellschaften zurecht abgelehnt wird.

Das Hauptargument für das Angebot einer transvaginalen Sonografie ist jedoch nicht die Krebsfrüherkennung, sondern die komplettierende Erweiterung der gynäkologischen Routineuntersuchungen. Der Fokus liegt hierbei auf den viel häufigeren funktionellen und gutartigen Veränderungen sowie gynäkologischen Problemen.

In einer aktuellen Studie zur Durchführung einer Ultraschalluntersuchung des Beckens bei asymptomatischen Frauen hat gezeigt, dass von knapp 1.000 Frauen in 10% der Fälle ein auffälliger Befund erhoben werden konnte. In 6.7% war eine gynäkologische Erkrankung die Grundlage [1].

Im Ultraschall können sich eine Vielzahl von Erkrankungen zeigen, wie etwa Myome, Endometriose, Zysten oder Flüssigkeitsansammlungen. Man kann mit dieser Untersuchung auch Veränderungen entdecken, die noch keine Symptome verursachen und auch einem Tastbefund gar nicht zugänglich wären. Eine Behandlung orientiert sich dann an individuellen Faktoren wie u.a. Beschwerden, der Einschätzung des Komplikations- und auch Entartungsrisikos und dem weiteren Verlauf.

Die Verzögerung, bedingt durch das Argument erst bei Symptomen mit dieser Untersuchung einzusetzen, führt zu einer Diagnose einer meist weit fortgeschritteneren Erkrankung, die dann eine höhere Rate an Komplikationen und Verlust an Lebensqualität bedeuten kann."

Gemeinsame Stellungnahme vom Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)
und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG)
vereint im German Board and College of Obstetrics and Gynecology (GBCOG)

 

 

[1] Rajput E.: Pelvic Ultrasound Imaging-Based Prevalence of Gynecological Morbidity in a Population of Asymptomatic Reproductive-Age Women Indian J Radiol Imaging
2023;33:183–186.